In einem Ihrer CAPinside-Artikel schreiben Sie über Aktien, die Tesla schlagen – zumindest bei der risikogewichteten Performance. Hand aufs Herz: Haben Sie privat schon einmal Tesla gekauft?
Marc Ospald: Ich habe die Aktie tatsächlich nie besessen. Aus Performancesicht muss ich sagen: Leider habe ich sie nie besessen (lacht). Aber ich muss mir natürlich auch eingestehen, dass ich die Volatilität sowieso nicht ausgehalten hätte. Und bei den zwischenzeitlichen Drawdowns der Tesla-Papiere bin ich sicherlich nicht der einzige Anleger.
Trotzdem schauen Investoren auf Aktien wie Tesla – warum?
Ospald: Ein interessantes Produkt, ein polarisierender CEO in Form von Elon Musk, gepaart mit hohen Kursgewinnen locken durchaus – aber nur auf den ersten Blick. Denn wenn der Markt nach oben geht, gibt es viele Werte, die stark mitsteigen. Auch Tesla. Und in so einer Situation gibt es auch einige Fondsmanager und Investoren, die dem Ruf folgen und gute Renditen erzielen – aber ein sehr hohes Risiko fahren. Das kann sich bei Markteinbrüchen dann rächen, viele Anleger werden nervös und erleiden hohe Verluste. Es geht beim Anlegen aber vielmehr darum, über den gesamten Marktzyklus hinweg einen Mehrwert anzustreben und dabei die Drawdowns im Griff zu behalten.
Wie können Investoren dies erreichen?
Ospald: Dafür lohnt ein Blick in die Kapitalmarktforschung. Wichtig ist: Einen perfekt effizienten Kapitalmarkt gibt es nur in der Theorie. Es gibt aber Charakteristika von Aktien, für die der Anleger langfristig belohnt werden kann und es gibt immer wieder ineffiziente Phasen, in denen Risiken nicht gut gepreist sind. Und genau diese Phasen brauchen Investoren, um ein attraktives Chance-Risiko-Verhältnis zu erzielen. Multi-Faktor-Strategien helfen dabei, die positiven Charakteristika von Wertpapieren auf verschiedenen Ebenen zu identifizieren und Ineffizienzen auszunutzen, wenn sie in der langen Frist abgebaut werden.
Was sind die Faktoren einer solchen Strategie?
Ospald: Bei unserer HP&P-Multi-Faktor-Strategie setzen wir etwa auf Aktien, die uns ganzheitlich nach Qualität, Ratings, Risiko, Momentum und Buybacks überzeugen. Wir zielen auf fünf unterschiedliche Charakteristika ab, für die man langfristig eine Prämie erhält, und streuen somit das Strategierisiko signifikant. Die Faktoren werden nicht einzeln betrachtet, sondern in Interaktion gesetzt. Das erhöht die Trefferwahrscheinlichkeit und die Erfolgsaussichten, gleichzeitig vermeiden wir unerwünschte Verlust- und Faktorrisiken. Der Prozess, mit allen einzelnen Bestandteilen in Kombination, führt zu einem sehr attraktiven Chance-Risiko-Profil und ist in dieser Ausgestaltung sicherlich ein Alleinstellungsmerkmal.
Welcher Vorteil bietet hierbei das systematische Vorgehen?
Ospald: Das Problem bei datenintensiven Multi-Faktor-Strategien auf breite Anlageuniversen: Ein traditioneller Fondsmanager oder Investor ist in seiner Zeit limitiert, und kann sich nur eine limitierte Anzahl Unternehmen und Bilanzen anschauen. Deswegen übernehmen bei einem systematischen Ansatz Daten und Rechenleistungen diese Aufgabe. Das Research wird also auch bei mehreren Faktoren, mit unzähligen dahinterstehenden Daten, in immer gleicher Qualität vorgenommen. Der Anlageprozess ist klar definiert und regelgebunden. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass ich deutlich besser und rationaler investiere, wenn ich mich an einen systematischen Prozess halte. Es hilft ungemein, die Anlageregeln umzusetzen, die vorher auf Grundlage von wissenschaftlichen Erkenntnissen festgelegt wurden und das Bauchgefühl als Fehlerquelle außen vor zu lassen.
Wie legen Sie diese Regeln für Ansätze wie die 5-Faktor-Strategie fest?
Ospald: Ich durfte mich mehr als eine Dekade mit der Entwicklung, dem Management und der Weiterentwicklung systematischer Ansätze mit Bezug zur Kapitalmarktforschung beschäftigen und habe meine Erfahrung dann in unsere Multi-Faktor-Strategie eingebracht. Die Ideen sind also nicht neu, sondern schon über mehrere Jahre hinweg erprobt. Dabei kombinieren wir Erkenntnisse aus der Kapitalmarktforschung mit eigenen Forschungsergebnissen und setzen diese praxisorientiert um. Bei uns steht die Risikodiversifikation zur Erzielung hoher risikoadjustierter Renditen vor der Performancemaximierung auf Kosten höherer Drawdowns. Daher setzen wir auf die Kombination von fünf unkorrelierter Faktoren, die sich in ihrer individuellen Ausgestaltung zum Teil deutlich von anderen Ansätzen abheben.
Allerdings sind sowohl die Märkte als auch die Kapitalmarktforschung sehr dynamisch. Ist solch ein System nicht schnell veraltet?
Ospald: Die Veränderungen bei den langfristig ausgerichteten Faktoren sind zwar glücklicherweise nicht ganz so dynamisch wie man denken mag, finden jedoch kontinuierlich statt. Prämien, für die man früher entlohnt wurde, können abnehmen, ganz verschwinden und neue Charakteristika aufkommen, die eine höhere Erfolgsaussicht haben. Das ist wie in der Evolutionstheorie: Man muss seinen Prozess fortlaufend weiterentwickeln und anpassen, wer nicht dazulernt, bleibt auf der Strecke. Das Ziel ist immer ein gutes Chance-Risiko-Verhältnis – niemals nur eine Maximierung der Performance. Denn sonst könnten wir gleich nur in Werte wie Tesla investieren und hoffen, dass die Märkte weiter steigen (lacht).
Wie funktioniert der Ansatz in der Praxis?
Ospald: Vor fast einem Jahr haben wir unseren dynamischen Aktienfonds HP&P Euro Select auf die Strategie umgestellt. Dabei investieren wir nahezu 100 Prozent des Kapitals in europäische Aktien, das Aktienmarktrisiko wird allerdings auf 75 Prozent abgesichert. Daraus ergibt sich das Risikoprofil eines dynamischen bzw. aggressiven Mischfonds – und diese Peergroup schlagen wir bei niedrigerem Risiko signifikant. Wir haben in einem sehr schwierigen Jahr mit vielen Stilrotationen ein sehr gutes Ergebnis erzielt, was uns für die Zukunft optimistisch stimmt. Auch unser defensiverer und ausschüttungsorientierter Stiftungsfonds nutzt die Strategie und ist dafür zu 100 Prozent in Aktien investiert, die eine Dividende zahlen. Bei diesem Fonds wird das Marktrisiko auf 25 Prozent abgesichert.
Und wann funktionieren systematische Ansätze nicht?
Ospald: In kleineren, illiquideren Märkten mit nicht ausreichenden Daten oder Datenqualität sowie bei Themeninvestments braucht es häufig die Erfahrung eines Fondsmanagers, beziehungsweise kann diese nochmal einen deutlichen Mehrwert bringen. Das merken wir beim thematischen Ansatz unseres Aktien Südeuropa Nachhaltigkeit Fonds – in dieser Region ist das Anlageuniversum deutlich schmaler und die Erfahrung des Managers liefert vor allem bei Titeln aus der zweiten Reihe einen Mehrwert. Seit Auflage hat mein Kollege Andreas Hauser gerade in turbulenten Märkten eine sehr gute Performance erzielt. Für die breiten Strategien bieten sich dagegen eher die systematischen Ansätze an.
Würde denn ihr systematisches Modell auch in anderen, breiten Märkten als Europa funktionieren?
Ospald: Für Multi-Faktor-Ansätze gibt es keine regionale Limitierung. Wichtig jedoch: Unterschiedliche Regionen müssen unterschiedlich behandelt werden – auch systematisch. Dafür haben wir für unterschiedliche Regionen eigene Multi-Faktor-Strategien entwickelt. Durch die Kombination von verschiedenen regionalen Ansätzen wie etwa Nordamerika, Asien-Pazifik und Europa lässt sich das Risiko weiter diversifizieren – was wieder zu einem hoch attraktiven Chance-Risiko-Profil führt. Deswegen beabsichtigen wir in naher Zukunft einen globalen und systematischen Aktienfonds zu lancieren, der unsere Fondspalette vom Marktrisiko nach oben erweitert und regional komplettiert. Investoren bieten wir damit einen sortenreinen Aktienfonds, der auch in deren Asset Allocation als Baustein zum Einsatz kommen kann.