Betrachtet man die aktuellen Kursrücksetzer an den weltweiten Leitindizes könnte man zunächst von einer unspektakulären Konsolidierung nach gutem Lauf sprechen. Doch unter der Oberfläche toben stärkere Turbulenzen und es kommt zu heftigen Stil- und Sektor-Rotationen. Ein Überblick.
Der September wird seinen Ruf als eher schwieriger Aktienmonat auch in diesem Jahr gerecht. Durch Basis- und Langzeiteffekte steigende Inflation, der drohende Zahlungsausfall vom chinesischen Immobilienriesen Evergrande sowie eine avisierte Straffung der ultralockeren Geldpolitik seitens der Federal Reserve bildeten ein toxisches Gemisch. Zwar fällt das Kursminus in den europäischen Aktien, gemessen am Euro Stoxx 50, mit einem Minus von -3,6% historisch nicht zu extrem aus, doch hatten es die Bewegungen unter der Oberfläche auf Einzeltitel-, Sektor und Stilebene für Aktienselektoren in sich.
Einzeltitelebene
Betrachten wir die bis Ende August besten Werte des dreihundert Titel umfassenden Euroland Universum, fällt auf, dass diese im September im Durchschnitt schlechter als der Leitindex abschneiden. Dieser moderate relative Verlust ist angesichts der bis Dato üppigen erzielten Renditen leicht zu verkraften. Für normal korrigieren auch gut gelaufene Werte auf Grund ihres meist höheren Betas (Sensitivität zum Gesamtmarkt) im fallenden Markt deutlich stärker, jedoch sind es Paradoxer Weise genau die gut gelaufenen Titel mit einem niedrigen Beta, die sich am unteren Ende des Kurszettels wiederfinden.
Die Gewinner im September, weisen untypischerweise ein hohes Beta aus. Ein hohes Beta bedeutet eine hohe Sensitivität zum Markt und was im fallenden Markt normalerweise noch höhere Verluste bedeutet. Im aktuellen Umfeld scheint die Risikoanomalie (langfristig performen risikoärmere Titel, vor allem in schwächeren Marktphasen besser) auf den Kopf gestellt.
Sektor-Ebene
Auf Sektor-Ebene macht sich trotz eines fallenden Markts eine Rotation in risikoreichere Sektoren bemerkbar. Der bis Ende August gut gelaufene Technologiesektor befindet sich im unteren Bereich der Septemberranglisteliste, während der Energie- und der Reisesektor deutliche Aufschläge verbuchen. Auch konnten sich Banken erneut im oberen Segment etablieren. Während Banken von den steigenden Zinserwartungen der Federal Reserve profitieren, gibt es bei den Energiewerten eine klare Korrelation zum steigenden Ölpreis. Damit realisieren die Anleger im fallenden Markt Gewinne in eher gut gelaufenen Qualitätssektoren (wie Technologie und Verbrauchsgüter) und kaufen bis dahin zurückgebliebene risikoreichere Werte. Abseits der Unterstützung von den steigenden Ölpreisen und der avisierten x-ten Zinswende in den letzten Dekaden, eine eher untypische Entwicklung, sollte man doch anbetracht zunehmender Volatilität eher die risikoaversen Sektoren im Vorteil vermuten.
Stile
Need to Know:
Traditionelle Kapitalmarktmodelle teilen den Aktienmarkt in zwei Segmente: Wachstum und Value. Im Value-Segment befinden sich günstige Substanzwerte, während sich im Wachstums-Segment eher teurer bewertete Growth-Unternehmen befinden. Durch vorherrschende Megatrends (Digitalisierung, medizinischer Fortschritt, E-Commerce) performten Wachstumswerte die letzte Dekade deutlich besser als Value-Titel, die ebenfalls unter dem strukturellen Wandel leiden (Finanz Regulatorik (Finanzwerte), Nachhaltigkeit (Öl), Automobile (E-Mobilität)).
Ein Blick auf die Markttreibenden Faktoren komplettiert das Bild. Gegen Ende September sahen wir massive Bewegungen auf Faktor- Ebene, die sich auch in den Oktober fortschreiben. Teilt man den Gesamtmarkt in Value- und Growth-Titel auf, kam es zu einer massiven Rotation raus aus Wachstumswerten hinein in Value-Werte. Die relative Entwicklung beider Stile zueinander ist signifikant. Ähnlich starke Bewegungen fanden bereits im letzten November (Impfstoff-Hausse) und im März (hoffen auf steigende Zinsen) statt, wurden jedoch mittelfristig wieder zurückgedreht. (Hier gehts zum Artikel.)
Schaut man etwas granularer auf die einzelnen Stile ist zu sehen, dass defensivere Faktoren, wie Qualität und Low-Risk gegenüber den offensiveren Value-Werten deutlich abgaben. Im September kam es somit zu einer großen Rotation raus aus Wachstum, Qualität und Low- Risk, hinein in Value- und Risiko. Dies entspricht einer Gegenbewegung zu langfristig vorherrschenden Trends, wie wir sie Phasenweise in den letzten Jahren immer wieder gesehen haben. Mittelfristig folgte man jedoch wieder den vorherrschenden Trends.
Bewertungsperspektive:
Viele Marktteilnehmer aus dem Value-Segment argumentieren: Sollte es zu anhaltend hoher Inflation kommen und die Notenbanken diese durch Zinserhöhungen versuchen auszugleichen (was bei der EZB eher später als früher der Fall sein dürfte), steigt auch der Diskontierungszins bei gängigen Bewertungsmodellen. Zukünftige Gewinne würden somit geringer ins Gewicht fallen und vor allem bei Wachstumsunternehmen zu niedrigeren fairen Bewertungen führen.
Diese Argumentation vernachlässigt aus unserer Sicht jedoch wesentliche Faktoren:
Anhaltend hohe Inflation sollte in einem gesunden Wirtschaftssystem nur durch anhaltend höhere Nachfrage und daraus resultierend einem höheren Wirtschaftswachstum entstehen. Damit verbunden wären auch höhere Wachstumsaussichten was die zukünftigen Gewinne anhebt. Somit steigt nicht nur der Diskontierungszins im Nenner, sondern auch der Gewinn im Zähler der Formel.
Des Weiteren verursacht Inflation höhere Input-Kosten, die zu niedrigen Margen (sofern man die Steigerung nicht an den Konsumenten weiterreichen kann) führen. Da Qualitätsunternehmen auf wesentlich höhere Margen operieren und zumeist eine gewisse Preissetzungsmacht haben, werden diese weniger stark in Mitleidenschaft gezogen, als deren Value-Pendants, die insgesamt auf niedrigeren Margen operieren. Den Zusammenhang zwischen Qualität und Bewertung haben wir in unserer Reihe „Qualität hat Ihren Preis, ist sie es auch Wert“ dargestellt.
Zu guter Letzt hält sich weiterhin der Mythos, dass Growth Unternehmen durch den höheren Zins stärker als Substanzunternehmen bei der Refinanzierung belastet werden. Das Gegenteil ist tatsächlich der Fall. Heutige Growth und Quality-Unternehmen weisen deutlich niedrigere Verschuldungsgrade als Value-Unternehmen aus. Stattdessen halten die großen Tech-Unternehmen meist sogar enorme Cash-Positionen, die durch einen höheren Zins profitieren. (Hier gehts zum Artikel.)
Ausblick
Aus unserer Sicht haben die langfristigen Trends (niedriger Zins, Bevorzugung von Wachstum, Qualität und Low-Risk gegenüber Value und High-Risk) weiter bestand. Ausgelöst von makroökonomischen Änderungen und Events, kam es in der jüngeren Vergangenheit immer wieder zu ähnlichen Rotationen, mittelfristig wurden jedoch immer wieder die Langzeittrends eingeschlagen. Es zeigte sich in der Vergangenheit, dass die Spekulation auf eine langfristige Trendumkehr nicht zielführend war, sondern eher Verwerfungen und Rotationen zum Einstieg in bestehende Trends genutzt werden sollten. Denn die bestehenden großen Themen Digitalisierung (Technologie), Demographie (Pharma) und Umweltschutz werden uns weiterhin begleiten.
Bei Habbel Pohlig und Partner setzen wir in der Aktienselektion auf unsere selbstentwickelte breit diversifizierte HP&P-Multi-Faktor- Strategie, die Aktien aus unterschiedlichsten Perspektiven betrachtet. Portfoliotitel müssen uns ganzheitlich unter den Aspekten Trend, Qualität, Risiko, Ratings und Aktienrückkäufe überzeugen. Damit wird das Stilrisiko gestreut und die Trefferquote sowie der Erwartungswert erhöht. Die Frage „Value oder Growth“ spielt in unserem Ansatz eine untergeordnete Rolle und wird als Residuum des Selektionsprozesses indirekt beantwortet. Derzeit besitzt das Portfolio einen Bias Richtung Qualität, Wachstum und Low-Risk. Demzufolge realisierten unsere systematischen Fonds nach hervorragendem Lauf relative Rücksetzer am aktuellen Rand, die durchaus als attraktive Einstiegsmöglichkeit genutzt werden können. Kehrt der Markt zu seinen bestehenden Trends zurück, sollten die Rücksetzer schnell aufgeholt werden. Sollte sich das Muster an den Kapitalmärkten jedoch widerwarten langfristig ändern, ist die eingesetzte Strategie reagibel genug um mittelfristig Exposure in andere Segmente aufzubauen.
Seit Mitte 2020 suchen wir die Titel unseres dynamische Aktienfonds HP&P Euro Select (ca. 75% Aktienmarktrisiko) anhand der HP&P-Multi- Faktor-Strategie mit überzeugenden Resultaten aus. Der Fonds konnte seine Peergroup seit Umstellung signifikant schlagen. (Mehr dazu hier.)
Auch der im November 2020 neu aufgelegten defensive Aktienfonds HP&P Stiftungsfonds (ca. 25% Aktienmarktrisiko) setzt die HP&P Multi-Faktor-Strategie ein.
Marc Ospald – Managing Director – Habbel, Pohlig & Partner
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